Für wen sind Sicherheitsfenster und –türen besonders geeignet?
Holger Heinemann: Da kann ich es mir einfach machen und sagen: „Für alle die nichts geklaut bekommen möchten!“ Real ist das Thema logischerweise wesentlich komplexer. Es geht ja nicht nur um Einbruch hinsichtlich Diebstahl, sondern auch um Personenschutz. Zum Glück sind Einbrüche mit körperlichen Verletzungen für die anwesenden Bewohner selten, aber nahezu alle Einbruchsfälle haben seelische Spuren in Form von Angst oder Schlaflosigkeit bei den Opfern hinterlassen. Einige meiner Kunden haben tatsächlich nicht weiter in der Wohnung leben können und sind umgezogen. Letztendlich muss man, egal ob Garage, Einfamilienhaus oder Gewerbeimmobilie, individuell bewerten was sinnvoll ist. Sinnvoll heißt auch, dass es mit dem Budget der Eigentümer realisierbar ist.
Nennen Sie 2-3 Punkte warum es wichtig ist, die Fenster und Haustüren von privaten Häusern oder Wohnungen mit Sicherheit auszustatten
Holger Heinemann: In erster Linie, um vor Diebstahl zu schützen. Aber wie gesagt auch, um Personenschutz zu realisieren und ein wesentlich sicheres Wohngefühl zu haben. Ein Kunde von mir in Offenbach hatte 3 Einbrüche in einem Jahr. Dann haben wir RC3-Fenster montiert. Glauben Sie mir, das ist für ihn eine ganz andere Lebensqualität. Ganz nebenbei gibt es auch Fördergelder für einbruchshemmende Maßnahmen und man kann mit entsprechendem Schutz viele Beiträge für Versicherungsverträge deutlich reduzieren.
Welche Punkte muss ein Fenster erfüllen, um als Sicherheitsfenster bezeichnet werden zu können?
Holger Heinemann: Also generell sprechen wir anstatt von „Sicherheitsfenstern“ von „einbruchshemmenden Fenster bzw. Haustüren“. Jeder Hersteller hat so sein eigenes Rezept. Mechanisch sind die Pilzköpfe mit Abstand am weitesten verbreitet. Das große Problem ist, dass ich immer wieder erlebe, dass Kunden mir sagen: „wir haben extra auf Pilzkopfverriegelung geachtet!“ Doch was man dann sieht ist meiner Meinung nach Kundenverarschung. Zum Beispiel hintergreift die Verschlussplatte gar nicht, damit kann man sich den Pilzkopf sparen. Oder es sind nur zwei Pilzköpfe verbaut. Und das sind jetzt zwei Beispiele die noch gar nicht ins Details gehen. Also ich spreche ja noch gar nicht von der richtigen Montage des Fensters, von elektronischen Maßnahmen oder wie groß die Falzluft ist. Der Kunde glaubt Sicherheit zu kaufen, doch er kauft eine Pilzkopfverriegelung die nur vorgaukelt sie könnte Einbrüche hemmen. Manchmal hat man das Gefühl Hauptsache auf dem Papier sah es gut aus. Bei Häusern die durch Bauträgern in den letzten 15 Jahren gebaut wurden, liegt die Quote von absolut fehlerhaften Elementen hinsichtlich Einbruchschutz bei über 75%.
Ganz dreist wird es, wenn manche behaupten man bräuchte nur einen abschließbaren Griff. Es gibt richtig gute Anbieter und Handwerker auf dem Markt. Garantiert nicht nur die Firma ReklAr. Aber was in unserer Branche geschummelt und falsch beraten wird, nur um Aufträge zu bekommen ist wirklich unfassbar.
Für den Endkunden bringen wir es kurz und knapp auf den Punkt: die Elemente müssen RC2 oder RC3 nach DIN 1627ff geprüft und zertifiziert sein. Das ist meiner Meinung nach die einzige Methode, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wenn dann ein Unternehmen noch „Mechanischer Errichter“ und somit bei den Empfehlungslisten der Polizei gelistet ist, ist man absolut auf dem richtigen Weg.
Noch ergänzend zu RC2 und RC3. Auch hier wieder Vorsicht mit Bezeichnungen wie „RC2 ähnlich“, „RC2-Beschlag“ oder „RC2 auf unser Normfenster“. Es gibt noch die Klasse RC2N, über die man nachdenken kann und die für den kleinen Geldbeutel eine Alternative sein kann. Für alles ist eine individuelle Fachberatung nötig. Denn eins ist klar: im 2.OG können wir anders planen, als hinten im Haus zum Garten, wo die Büsche oder Zäune für sichtgeschützte Balkontür sorgen.
Können Sicherheitsfenster nach Maß hergestellt werden, oder gibt es sie nur in festgelegten Größen?
Holger Heinemann: Alles auf Maß und alles mit individueller Ausstattung.
Gibt es verschiedene Arten von Sicherheitsglas, das für die Sicherheitsfenster genutzt wird?
Holger Heinemann: Natürlich! Das sogenannte P4A-Glas ist das gängige für RC2. P6B bei RC3. Ich habe mich selber schon oft mal an Musterfenstern ausprobiert. Das hält enorm viel aus. Bei den Gläsern liegt übrigens der größte Teil der Aufpreise. Zudem werden die Gläsern schnell enorm schwer und die Montagekosten steigen. Hier ist Erfahrung bei der Beratung und Planung gefragt. Noch ein Tipp für Käufer: Ganz wichtig ist auch die Glasanbindung und die damit verbundene Revisionierbarkeit des Glases. Ich erkläre jetzt aber nicht warum. Wir wollen ja Einbrechern hier keine Tipps geben.
Gibt es Sicherheitsfenster nur als Kunststofffenster, oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
Holger Heinemann: Das wäre schlimm! Es gibt auf dem Markt genauso auch Anbieter, die RC2- und auch RC3-zertifizierte Elemente in Alu, Holz, Holz-Alu oder Kunststoff-Alu anbieten. Bei Holz muss man ganz stark auf die Holzart achten. Weichhölzer wie Kiefer splittern zu schnell. Harthölzer wie Eiche sind da wesentlich robuster. Wir bieten hauptsächlich Eukalypthus globulus aus Galizien an. Brutal hart, langlebig und eine wunderschöne Maserung. In der Branche wird nach wie vor viel Meranti angeboten. Für uns ist das ein absolutes No-Go. Der Einschlag von Meranti geht nach wie vor einher mit der Zerstörung der Tropenwälder. Daran beteiligen wir uns nicht und unsere Kunden begrüßen das sehr.
Welche Widerstandsklasse ist am besten geeignet für die optimale Sicherheit?
Holger Heinemann: Dafür ist ein persönliches Gespräch vor Ort unabdingbar. Die Sache hat mehrere Dimensionen: Wie kommt man von außen an das Element dran? Wie versteckt liegt das Element? Was gibt es noch für andere Wege ins Haus? Wie groß ist der zu sichernde Wert und natürlich auch, welches Budget steht zur Verfügung? Grundsätzlich rate ich bei allen Elementen, die von außen leicht erreichbar sind, mindestens zu RC2.
Welche Widerstandsklassen werden angeboten?
Holger Heinemann: RC1 bzw. RC1N gelten auch in der Norm nur als „Vandalismusschutz“ und sind deshalb selbst für den Schutz vor Gelegenheitseinbrecher ungeeignet. Interessant wird es mit RC2 und – mit deutlichen Abstrichen – RC2N. Für sehr guten Schutz RC3. Für Banken, Juweliere etc. RC4 und höher. Hinzu kommt dann noch die ganze Elektrotechnik, die möglich ist. Die goldene Regel heißt: erst mechanisch hemmen und dann die Einbruchszeit nutzen und den Täter elektronisch hinweisen, dass er bemerkt wurde! Dann sind die erfolgreichen Einbruchsversuche im ganz tiefen einstelligen Prozentbereich.
Was hat es mit diesen RC2 oder RC3 auf sich?
Holger Heinemann: Sehr wichtig Frage! Es geht um eine allgemein geltende Norm, mit denen Kunden es leicht haben, Qualität zu erkennen. RC steht für „Resistance Class“ – also Widerstandsklasse. Deshalb früher auch WK1, WK2, WK3 bzw. WKI, WKII und WKIII genannt. Wenn ein Hersteller diese Güte erreichen möchte, muss er von einem unabhängigen Institut eine Prüfung beauftragen. Im praktischen Teil der Prüfung wird das Fenster bei RC2 insgesamt 3 Minuten lang angegriffen. Bei RC3 sind es 5 Minuten. Bei RC2 ist hauptsächlich der lange Schraubendreher, Klotzkeile und ein kleiner Hammer als Tatwerkzeug zu nennen. Das Brecheisen kommt erst bei RC3 dazu. Kurz gesagt: bleibt das Fenster in der Zeit zu, ist der Test bestanden. Wirklich gute Hersteller lassen nicht nur einzelne Normgrößen testen, sondern machen eine sogenannte Systemprüfung. Dies bedeutet, dass auch andere Größen, Balkontüren, zweiflügelige Fenster, andere Formen wie Rundbögen oder Dreiecke getestet werden, aber auch mit abweichender Ausstattung. Wir sind mit PaX nicht verheiratet, aber da muss ich für das Unternehmen echt eine Lanze brechen. Die machen das so akribisch und umfassend, dass ich für mich sage: Stand heute, bester Anbieter auf dem Markt. Ich sage Ihnen auch noch zwei Gründe warum. Zum einen weil die Elemente über eine enorme Reserve verfügen. Das heißt, die Fenster gehen auch nicht 30 Sekunden später auf. Selbst Profis beißen sich da echt die Zähne aus. Und zweitens haben wir bei ReklAr bis heute noch keinen einzigen Kunden gehabt, der bei uns anrief und sagte: „ihr PaX-RC2 oder RC3-Fenster wurde heute Nacht erfolgreich aufgebrochen!“ Und das ist doch mal ein Wort.
Um zu erfahren was, so ein RC2- oder RC3-Fenster kann, würde ich gerne selber mal Einbrecher spielen – kann man das irgendwo machen?
Holger Heinemann: Das ist tatsächlich sehr heilend. Wenn man das mal selber gemacht hat weiß man, warum so viele Bestandteile hervorragend miteinander kombiniert sein müssen. Ein- bis zweimal im Jahr opfern wir mal ein Fenster, und die Kunden dürfen sich versuchen. Es hat natürlich noch nie jemand geschafft, es zu öffnen. Auf unserem Youtube-Kanal (www.tv.reklar.de) haben wir ein paar Videos, wo sich zum Beispiel Feuerwehren in Form eines Tags der offenen Tür versuchen. Da bekommt man einen Eindruck.
Was ist an einem Sicherheitsfenster noch wichtig außer dem Glas?
Holger Heinemann: Es spielen viele Details eine Rolle. Das Fensterprofil muss schon so geschaffen sein, dass man so wenig Halt wie möglich findet, um einen Hebel anzusetzen. Wir haben da ein tolles Video auf Youtube (www.tv.reklar.de), bei dem eine Feuerwehr mit einem 11-Tonnen-Spreizer angreift. Die Verriegelung würde die 11-Tonnen nicht halten können, aber da einfach kein Platz ist zum Ansetzen geboten wird, bzw. die Profile gezielt nachgeben um den Druck aufzunehmen, dauert es irrsinnig lange. Die Falzluft spielt eine große Rolle, die Glasanbindung, das Getriebe, der Griff, die Verriegelung, die Verschlussplatten und deren richtige Verschraubung, der Stahlkern im Kunststoff bzw. das richtige Holz, die Montage mit dem richtigen Montagematerial individuell abgestimmt auf das Mauerwerk, Rollläden, durchbruchhemmende Brüstungsplatten, ggf. Profilzylinder samt deren Sicherung und die Kombinierbarkeit mit anderen Wünschen wie Alarmanlage. Es ist ja schließlich ein Unterschied, ob der Hersteller nur das einflüglige Fenster zertifiziert hat, oder auch die zweiflüglige Balkontür mit Stulp, Schwelle, verdecktliegenden Bändern und dann am besten noch beidseitig abschließbar.
Muss man seine Fenster in Frankfurt, Offenbach und Mainz anders schützen als in Gelnhausen, Neu-Isenburg, Obertshausen oder gar Jossgrund?
Holger Heinemann: Dafür gibt es natürlich keine Garantien. Im Einbruchsfall ist es egal, wo das Gebäude steht. Aus der Erfahrung heraus macht man im ländlichen Bereich oder in der Stadt mit vermeintlich guter Nachbarschaft den großen Fehler zu glauben, die Nachbarn würden im Zweifel etwas mitbekommen. Das ist absoluter Quatsch. Die Täter marschieren nicht mit Blaskapelle auf, sondern machen das schon so, dass es nicht auffällt. Wir erkennen oftmals für eine gewisse Zeit ein ähnliches Angriffsbild. Sagen wir in Rodgau und Rödermark vier Einbruchsversuche, die kurz hintereinander von der Herangehensweise ähnlich sind. Alles was in Autobahnnähe ist, sollte man schon vorsichtiger sein. Aber nehmen Sie mal Dietzenbach. Da ist die Autobahn vergleichsweise weit weg. Trotzdem enorm viele Einbrüche. Und Sie werden es nicht glauben, selbst in unserem herrlichen Jossgrund wird mehr eingebrochen als man vermutet.
In welcher Preisklasse liegen diese Sicherheitsfenster, was sind die ungefähren Kosten?
Holger Heinemann: Viele Anbieter haben unter dem enormen Preisdruck der Branche günstige Profile ohne nennenswerte Einbruchshemmung. Diese dann auf entsprechendes Niveau zu heben, kostet oft gutes Geld. Ich mache mal lieber das Beispiel mit PaXabsolut. Das ist ein Kunststofffenster von PaX und selbst in der Basis-Ausführung schon so weit, dass der Stahlkern nicht mehr geändert werden muss. Auch das Profil hat viele tolle Kniffe, die sehr hilfreich sind. Die rundum Pilzkopfverriegelungen sind dann pro Flügel nur noch 15,- bis 35,- EUR. Um auf RC2 zu kommen, noch ein paar Dinge dazu, und natürlich die P4A-Sicherheitsverglasung. Hier sollte man 150,- bis 250,- EUR pro Quadratmeter Aufpreis rechnen. Ein einflügliges Kunststofffenster beidseitig weiß, 2fach verglast, ohne Beschattung, in RC2, Größe 1.000×1.260mm liegt zzgl.Montage, inkl. MwSt. zwischen 600,- bis 800,- EUR. Bei Haustüren ist es wesentlich komplexer, da hier die Optik für den Preis die wesentlichste Rolle spielt.
Wie sollte man als Hauseigentümer vorgehen?
Holger Heinemann: Wenn man es neutral haben möchte, dann gerne vorab die Polizei. Man kann sich bei der Kriminalpolizei einen Beratungstermin geben lassen. Zum Beispiel in Frankfurt, Offenbach, Hanau, Gelnhausen oder Mainz. Die kommen vorbei, und beraten im Rahmen ihrer Präventionsarbeit. Prinzipiell kann man auch gleich ein Unternehmen wie ReklAr kommen lassen, die sogenannte „Mechanische Errichter“ sind. Wir schauen uns alles an, beraten, zeigen Produkte und arbeiten ein Angebot aus. Dann kommt die schwierigste Phase: das Vergleichen von Angeboten. Zugegeben, das ist wie bei vielen anderen Produkten auch unglaublich schwierig für jemanden, der dies nur alle 25 bis 30 Jahre mal macht. Ich kann da nur raten, lieber persönliche Kompetenzen zu wählen, anstatt sich von 5% Preisvorteil und glänzenden Prospekten beeindrucken zu lassen.
Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!